Eigentlich wollte Dietmar unsere Zeit auf La Gomera so kurz wie möglich halten, aber er hatte seine Rechnung ohne den Wind gemacht und der ist für uns nun mal entscheidend. Unser nächster Schlag sollte ja nach Richtung West zur Insel La Palma gehen. Da wir von dort aus entweder direkt nach Madeira oder über Lanzarote nach Madeira weiter segeln wollen, hatten wir uns schweren Herzens entschieden, nicht nach Tazacorte zu segeln. Tazacorte liegt im Westen der Insel und wäre ein strategisch ungünstiger Abfahrtshafen. Deshalb wollten wir diesmal Santa Cruz de la Palma ansteuern, das bekanntlich auf der Ostseite liegt. Auch wenn die Stadt uns schon damals sehr gefallen hat, fehlt der Marina jedoch jeglicher Charme. Außerdem stand immer Schwell in den Hafen und die Boote schaukelten auch an windstillen Tagen kräftig hin und her und zerren an den Leinen.
Die ungünstige Wettervorhersage bescherte uns noch drei weitere Tage auf La Gomera 🙂 Dietmar hatte sich schon morgens darauf gestürzt, alle Backskisten auszuräumen, zu säubern und neu zu organisieren. Als sich gegen Mittag abzeichnete, dass ich heute wohl nicht mehr darauf hoffen konnte, ihn zu einem Ausflug zu überzeugen, zog ich alleine los. Ich hatte mir zwei Wandertouren im Internet herausgesucht und beschloss, die Längere der beiden Touren heute alleine zu unternehmen. Vielleicht könnte ich Dietmar ja am kommenden Donnerstag überzeugen, mich zu begleiten. Und da wäre eine kürzere Tour bestimmt ein gutes Argument 🙂
Da ich den 12-Uhr-Bus schon verpasst hatte, gönnte ich mir ein Taxi zum Startpunkt der Tour, dem Roque de Agando. Er liegt ziemlich in der Mitte der Insel. Von hier aus wollte ich über das Dorf La Laja zurück nach San Sebastian laufen. Während der zwanzigminütigen Taxifahrt versuchte sich der kanarische Taxifahrer in höflichem Small-Talk. Er war völlig ungerührt von der Tatsache, dass ich nicht einmal jedes zwanzigste Wort verstand. Ich hätte wirklich gern gewusst, was für eine Lebensgeschichte er sich für mich zusammen gereimt hatte. Auf jeden Fall kam ein Boot, mein Mann als der Kapitan, aber auch noch acht weitere Person darin vor. Sehr merkwürdig 🙂
Oben angekommen war mir doch etwas mulmig zu Mute. Gute 1100 Höhenmeter unter mir lag San Sebastian. Hoffentlich hatte ich mich nicht wie beim letzten Mal auf La Gomera bei der Auswahl meines Wanderweges total verschätzt und würde mich morgen vor lauter Muskelkater wieder nicht mehr bewegen können 🙁 Aber jetzt konnte ich sowieso nichts mehr ändern. Ich marschierte also los und genoss die tolle Aussicht. Der Weg ging zwar recht steil bergab, war aber mit der Kletterei nach Hermigua nicht zu vergleichen.
Das Wetter war warm und trocken und im lichten Kiefernwald kam ich richtig gut voran. Die Kletterei auf dem unebenen Weg erwartete mich diesmal am Anfang der Tour, später würde ich auf einer kleinen Landstraße weiter wandern. Das kam meiner Kraft und Kondition sehr entgegen 🙂
Nach knapp eineinhalb Stunden kam das Dorf La Laja in Sicht. Jetzt konnte ich auf einer ebenen Landstraße weiter laufen. Während meiner gesamten Wanderung nach San Sebastian begegnete ich nicht einmal zwanzig Autos. Vorbei an mehreren Stauseen, Felder und üppigen Gärten kam ich langsam wieder zurück in die Zivilisation.
Auch dieses schmucke Einfamilienhaus fand ich am Rande meines Wanderwegs. Geschickter Handwerker gesucht 🙂 wäre wohl ein passender Titel auf der Verkaufsanzeige. Vielleicht sollte ich Dietmar diese neue Herausforderung einmal vorschlagen.
Nach gut fünf Stunden und anstrengenden 15 Kilometern war ich wieder bei der SUMMER angekommen. Dietmar hatte während meiner Abwesenheit wahre Wunder vollbracht und die Backskisten vorbildlichst auf Vordermann gebracht. Zur Belohnung zauberte ich noch ein leckeres Abendessen und legte danach im Salon die Füße hoch.
Am nächsten Morgen fehlte mir etwas der Antrieb, während Dietmar sehr unternehmungslustig über den Frühstückstisch schaute. Ganz spontan entschieden wir, dass er heute mit Andi tauchen gehen würde, während ich einen Hausarbeits- und Bürotag einlegen würde.
Unseren letzten Tag auf La Gomera wollten wir dann zusammen wandern gehen. Diesmal mit dem 12-Uhr-Bus in Richtung Hermigua wählten wir die erste Haltestelle. Irgendwie ging es hier nur bergauf 🙁 – egal wohin ich guckte. Naja, jetzt wollte ich aber keine Schwäche zeigen und stiefelte munter voran.
Die Route führte uns vom einem beeindruckenden Aussichtspunkt zum nächsten, zu Anfang zum Roque Jaragan bergauf und später Richtig San Sebastian ordentlich bergab.
Auf unserem Weg wurden wir genau beobachtet 🙂
Als wir am Nachmittag nach 11 Kilometern in San Sebastian auf dem Marktplatz standen, hatten wir uns den anschließend großen Eisbecher redlich verdient 🙂 Jetzt mussten nur noch die Wanderschuhe verstaut und das Boot seeklar gemacht werden. Morgen früh wollten wir zeitig los, um noch bequem bei Tageslicht in Santa Cruz auf La Palma einzutreffen.