Seit Samstagmittag liegen wir vor Muros vor Anker. Die Überfahrt war problemlos. Das von uns gewählte Wetterfenster war zwar nicht optimal aber das Beste, was wir kriegen konnten. Das hieß im Detail: Wir hatten zwar keinen Wind von vorne, dafür hatten wir aber auch sonst keinen Wind. 1-3 Knoten umlaufende Winde fühlten sich eher an wie mein Fön im Bad und nicht wie segeln. SUMMER zeigte sich leider auch völlig unbeeindruckt und kam überhaupt nicht so richtig in Schwung. Gut, daß wir in La Coruna noch 150 Liter Diesel nachgetankt hatten. So hatten wir während fast der gesamten Überfahrt die Maschine am laufen. Immerhin hatten wir den Regen, der den ganzen Freitag über dem Hafen festgehangen hatte, nach knapp zwei Stunden hinter uns gelassen. Leider musste ich während meiner Nachtwache feststellen, daß wir blinde Passagiere aus La Coruna mit an Bord genommen hatten. Ein paar der blutrünstigen Plagegeister torpedierten meinen wohlverdienten Schlaf und ließ auch meine Nachtwache nicht wirklich erholsam werden. Aber jetzt sind sie Geschichte. Am frühen Morgen schien ich auch den letzten der Bande erlegt zu haben.
Die „Ria de Muros“ präsentierte sich heute das erste Mal in ihrer gesamten Schönheit. Endlich schien einmal wieder die Sonne. Der zum Teil dichte Nebel, der uns auch im letzten Teil der Überfahrt innerhalb von Minuten überraschte, hatte sich verzogen. Die kleine Stadt liegt idyllisch unterhalb der mit Kiefern bedeckten Berge. Von denen war aber in den letzten Tagen nur leider fast nichts zu sehen.
Muros scheint wohl ein beliebter Platz bei den spanischen Urlaubern zu sein. Bei unserem ersten Landausflug mit dem Dinghi am Samstag waren die Strände trotz des Wetters recht belebt und wir fanden erst nach langem Suchen einen Platz in einer der vielen Tapas-Bars. Etwas erstaunt mussten wir feststellen, daß die Preise im Vergleich mit La Coruna doch deutlich höher waren. Die kleine Stadt selber hatte für uns eher einen morbiden Charme. Die Gebäude sind teilweise recht verfallen und abseits der Uferpromenade fehlt es dem Stadtkern deutlich an Flair. Aber trotzdem hatten wir einen wirklich unterhaltsamen Abend. Denn direkt am Hafen war eine Bühne aufgebaut und ab 10 Uhr schallte Rock und Heavy-Metal über die gesamte Bucht. Das wollten auch wir uns nicht entgehen lassen und düsten mit dem Dinghi nochmal an Land.
Die kleine, sehr geschützte Bucht mit ihrem breiten Sandstrand lud aber trotzdem zum Verweilen ein, da ab Sonntagnacht wieder ein Sturmtief mit viel Wind und Regen durchziehen sollte. So war die Nacht trotz des starken Windes doch noch erholsam und im Laufe des Tages wurde es zusehends trockener. Ich nutzte die Zeit für die weitere Reiseplanung, während Dietmar mit dem Dinghi an Land ging und weiter die Stadt erkundete.
Am frühen Abend ging die SY GANESCHA neben uns vor Anker. Sie hatte noch einen Zwischenstopp am Cap Finisterre gemacht. Gemeinsam entschieden wir bei einem gemütlichen Abendessen, noch zwei weitere Tage in Muros zu verbringen. Mal wieder standen einige Arbeiten auf unserer Liste und es herrschte auch gähnende Leere im Bordkühlschrank. Nach Durchzug einer weiteren kleinen Schlechtwetterfront am Dienstag sollte es weiter Richtung Süden gehen. San Vincent del Mar stand als nächste Station auf dem Programm. Auf Grund der unstabilen Wetterlage hier oben in Nordspanien hatten wir uns entschieden, unsere Aufenthaltszeit in diesem Landesteil deutlich zu verkürzen und zügig weiter nach Portugal zu segeln in der Hoffnung, dort den ersehnten Sommer wiederzufinden.
Die SY MENTOR will sich heute auch in unsere Richtung auf den Weg machen. Vielleicht gibt es ja schon in San Vincent ein Wiedersehen.
Vor Anker liegen ist für uns noch keine Alltagssituation. Bisher haben wir fast immer am Steg in irgendeiner Marina gelegen. Jederzeit konnte man das Boot problemlos verlassen. Duschen und andere sanitäre Anlagen standen (in unterschiedlichen Qualitäten) an Land zur Verfügung. Wasser und Strom waren direkt am Steg zu haben. Meistens hatte man auch Internetzugang über WiFi. Jetzt ist alles anders. Zuerst, direkt nachdem der Anker gefallen war, wurde das Dinghi klargemacht. Jeder Weg an Land ist ein Ausflug zu zweit, da meine Künste im Dinghi fahren noch nicht so fortgeschritten sind. Strom haben wir ausreichend genug an Bord und können ihn bei Bedarf auch selbst erzeugen. Genau dasselbe gilt auch für Süßwasser. Jeden zweiten Tag muss unser Wassermacher ran. Einzig allein die WiFi-Verbindung geht uns wirklich ab. Heute war der Leidensdruck so groß, dass wir uns endlich mit dem Problem der nicht funktionierenden WLAN-Antenne auseinandergesetzt haben. Leider mit dem Ergebnis, dass unser Problem irgendwo an der Antenne auf der Spitze des Mastes in 20 Meter Höhe liegt. Da Dietmar heute sowieso in den Mast muss, werden wir das Thema aber gleich weiter verfolgen. Mal sehen, ob wir heute Abend Erfolge vermelden können.
So fühlt man sich im Zeitalter der allgemeinen und permanenten Erreichbarkeit doch auf einmal erstaunlich von der „Welt“ erstaunlich abgeschnitten. Für uns beide eine neue Erfahrung.