Wir nutzten den schönen, sonnigen Donnerstag für eine letzte Erkundungstour von Ramsgate Richtung Süden – diesmal zu Fuß. Direkt am Hafen stießen wir auf die Segler-Kirche. Hier werden Segler zu bestimmten Tageszeiten sogar zu einer Tasse Kaffee eingeladen. Da wir aber schon gefrühstückt hatten, blieb dieses Angebot ungenutzt und wir folgten der malerischen Steilküste. Unser Ziel war laut Prospekt der original getreue Nachbau eines Wikingerschiffes, das wir aber leider nicht gefunden haben. War wahrscheinlich ein sehr kleines Boot :-). Da, wo es auf unserer Karte eingezeichnet war, haben wir keinen Hinweis darauf finden können und für großangelegte Suchaktionen fehlte uns heute die Zeit. Gegen sechs Uhr am Abend wollten wir das gute Wetter nutzen und in Richtung Oostende aufbrechen.
So waren wir gegen 2 Uhr zurück auf der Summer. Ich gönnte mir nach einem leckeren Mittagessen noch ein Stündchen Schlaf, während Dietmar noch einmal seiner Lieblingsbeschäftigung nachging: Bei Yachtausrüster (mehr oder weniger) sinnvolle Dinge für unser Boot einkaufen. Und man sagt immer, nur Frauen gehen gern einkaufen. Da kann ich wirklich nicht bestätigen. Man muss nur die Geschäfte entsprechend auswählen.
Noch ein paar Emails von der Insel, ein paar Bilder bei Facebook gepostet, dann wurde alles im Boot ordentlich für die nächste Segelstrecke verstaut. Bei bestem Wetter liefen wir bei Niedrigwasser aus. In der Hafeneinfahrt aber blieb uns beinahe das Herz stehen: Der Tiefenmesser zeigt nur noch 1,8 Meter Wasser an. Das sind eigentlich 20 Zentimeter zu wenig bei unserem Tiefgang von 1,95m….langsam und vorsichtig schoben wir uns weiter über den Grund und kamen nach Minuten, die uns wie eine Ewigkeit vorkamen, wieder in tieferes Wasser. Das war knapp, aber ist ja nochmal gut gegangen.
Dies sollte aber für die ganze Segelstrecke die größte Aufregung sein. Auf der spiegelglatten Nordsee segelten wir mit maximal 10 Knoten Wind. Die größte Herausforderung sollte die Querung des großen und vielbefahrenen Verkehrstrennungsgebietes zwischen England und dem Kontinent sein.
Verkehrstrennungsgebiete werden für die Berufsschifffahrt eingerichtet und funktionieren ähnlich wie Autobahnen. Es gibt für jede Richtung einen separaten Bereich. Von Seglern dürfen die Verkehrstrennungsgebiete nur in einem Winkel von 90 ° ± 10 gequert werden und die Berufsschifffahrt hat grundsätzlich Vorfahrt.
Während wir Segler im Normalfall mit 5-7 Knoten Geschwindigkeit unterwegs sind, können die Profis mit Geschwindigkeiten bis 30 Knoten beeindrucken. Es ist ein bisschen so, als würde man mit dem Bobby-Car die Autobahn überqueren. Da heißt es also „Augen auf“ und immer schön das AIS (Automatische Identifizierungs-System) beobachten, dass uns Informationen über die Geschwindigkeit und den Kurs aller Schiffe gibt.
Sicherheitshalber entscheiden wir uns dieses Teilstück unserer Fahrt auch unter Motor zu machen. So bleiben wir flexibler und sind auch schneller.
Ich habe den spannenden Teil dieser Überfahrt aber verschlafen. Als mich Dietmar um vier Uhr morgens weckte, hatten wir gerade die andere Seite erreicht. Zusammen setzten wir noch die Segel und nahmen parallel zur Küste Kurs auf Oostende.